Ringvorlesung: Mensch, Maschine, Moral?

Zum Abschluss der HMKW-Ringvorlesung im Wintersemester hat Dr. Irina Kummert über ethische Aspekte im Umgang mit digitaler Technologie referiert. Die Präsidentin des Ethikverbandes der deutschen Wirtschaft e.V. erörterte am 25. Januar Potenziale und Herausforderungen der sogenannten Künstlichen Intelligenz.

Im Zoom-Call: Dr. Irina Kummert

Im Zoom-Call: Dr. Irina Kummert

Haben Maschinen ein Bewusstsein? Können Roboter moralisch handeln? In welchem Verhältnis stehen Mensch, Maschine und Moral? Diese Fragen diskutierte Dr. Irina Kummert in einer Zoom-Konferenz mit mehr als 120 Studierenden und deren Dozent:innen. Die Unternehmens- und Personalberaterin hielt auf Einladung der Kölner HMKW-Professorin Dr. Friederike Bing (Fachbereich Wirtschaft) einen sehr anschaulichen Vortrag über komplexe ethische Zusammenhänge. Wenn Ethik bedeute, über moralische Fragen nachzudenken, gebe es oft keine eindeutigen Urteile oder Entscheidungen, erläuterte die studierte Philosophin. Während etwa bei Kants deontologischer Tugendethik die Vernunft als Grundlage uneigennützigen Wirkens im Zentrum moralischen Handelns stehe, gehe der Utilitarismus als teleologisches Konzept vom anzustrebenden „größten Glück der größten Zahl“ aus. Welches der beiden Modelle das besser begründete sei, lasse sich oft nicht zweifelsfrei beurteilen.

Nachdem der Kanzler der HMKW, Prof. Dr. Ronald Freytag, bei seiner Begrüßung darauf aufmerksam gemacht hatte, dass bereits im 18. Jahrhundert Ethik auch für Ökonomen wie Adam Smith eine zentrale Rolle spielte, zeigte Dr. Irina Kummert aktuelle Trends der Digitalwirtschaft auf, bei denen die Frage danach, welche Rolle wir Maschinen in unserem Leben einräumen, eine zentrale Bedeutung hat: etwa beim Einsatz von Robotern und Künstlicher Intelligenz. Am Beispiel moralphilosophischer Gedankenexperimente wie dem Trolley-Problem zeigte sich rasch, dass utilitaristische Ansätze ebenso ihre Berechtigung haben können wie deontologische Theorien.

Haben Roboter Bewusstsein und Moral?

Wenn schon menschliches Handeln durch moralische Dilemmata geprägt ist, wie gehen wir dann mit dem Handeln von Maschinen um, die als digitale Systeme vermeintlich autonom handeln: im Auto, als Chat-Bot oder Drohne? Dr. Irina Kummert fragte, ob Roboter Träger von Moral sein können und ob sie moralische Rechte haben. „Sind Roboter verantwortlich, können sie bestraft werden?“, lauteten weitere Fragen. Und schließlich: „Können sie Träger von Rechten und verantwortlicher Pflichten sein?“ Wer diese Fragen beantworten wolle, müsse zunächst klären, ob Maschinen bewusst und intentional handeln könnten. Schließlich müsse sich auch mit dem Begriff der Wahrheit befassen, wer die Resultate von Künstlicher Intelligenz (KI) bewerten wolle. Die ehrenamtliche Präsidentin des Ethikverbandes der deutschen Wirtschaft e.V., die unter anderem auch Vorsitzende der Ethikkommission des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) ist, verwies auf KI-Produkte, deren Agieren menschlichem Handeln immer ähnlicher wird: So kann aufgrund von maschinellem Lernen der Algorithmus Dall-E2 Bilder aus Textbeschreibungen erstellen oder der Chatbot ChatGPT automatisch Texte generieren. Die App Ask Delphi verspreche sogar, Einschätzungen zu ethisch schwierigen Fragen geben zu können.


Bei dem Gedankenexperiment, ob sich Teilnehmende der Ringvorlesung lieber von einem erfahrenen Chirurgen mit einer Fehlerquote von zwölf Prozent oder einem Roboter mit einer Fehlerquote von nur sieben Prozent operieren ließen, entschieden sich die meisten Befragten für den Arzt und gegen die Maschine. Als Motive wurden die größere vermutete Empathie und höhere Moral des Menschen angegeben sowie die größere Intuition und Kreativität menschlicher Wesen. „Was ist also human? Lässt sich Humanität nachbauen?“ Mit diesen Fragen leitete Dr. Irina Kummert zum nächsten neuralgischen Punkt der Mensch-Maschine-Debatte über. Im Spannungsfeld von Logos (Wort, Sinn, Vernunft) und Emotion gelte es abzuwägen, welche Aufgaben Robotern überlassen werden sollten. Möglich seien auch hybride Formen der Zusammenarbeit von menschlicher und künstlicher Intelligenz.

„Neue Technologien schaffen Realität“

In der abschließenden Diskussion wurde deutlich, wie viele Aspekte bei der Debatte über Chancen und Risiken von Algorithmen und Künstlicher Intelligenz noch ungeklärt sind. Dabei reicht das Spektrum von der unscharfen Definition des Begriffes der Künstlichen Intelligenz über moralische Diskurse und Dilemmata bis zu ganz praktischen Folgen der aktuellen Entwicklung, beispielsweise für das Urheberrecht oder den Arbeitsmarkt. „Neue Technologien schaffen Realität“, urteilte Dr. Irina Kummert. Wichtig für alle Debatten seien Transparenz und der jeweilige Referenz-Rahmen spezifischer kultureller oder gesellschaftlicher Leitvorstellungen.