Ringvorlesung: Fakten statt Fake News

Die Themen Corona-Pandemie und Klimakrise zeigen, wie schwierig es ist, Forschungsergebnisse verantwortungsbewusst darzustellen. Welche wissenschaftlichen Daten können was belegen? Welche Positionen sind seriös und welche stammen aus dem Bereich von Lobbyismus, Populismus oder gar Propaganda? Das Science Media Center (SMC) will Orientierung schaffen. Dr. Annegret Burkert und Lutz Dreesbach erläuterten Ende Juni im Rahmen der HMKW-Ringvorlesung via Zoom-Konferenz, wie das SMC arbeitet.

Stellten im Rahmen der HMKW-Ringvorlesung das SMC vor: Lutz Dreesbach und Dr. Annegret Burkert.

Stellten im Rahmen der HMKW-Ringvorlesung das SMC vor: Lutz Dreesbach und Dr. Annegret Burkert.

Das vor sechs Jahren gegründete Kölner Science Media Center wolle Journalist:innen helfen, wissenschaftlich seriöse Fakten und angesehene Expert:innen zu finden, sagte SMC-Projektmanager Lutz Dreesbach. Zu diesem Zweck würden regelmäßig neue wissenschaftliche Ergebnisse, Studien und Publikationen ausgewählt und bewertet, die öffentliche Relevanz haben können. Außerdem sammle das SMC zu aktuellen Publikationen unabhängige wissenschaftliche Stellungnahmen, die dann etwa 1.800 akkreditierten Journalist:innen – zum Teil mit einer vom Fachjournal gesetzten Sperrfrist - beim Schreiben ihrer Berichte zur Verfügung stehen. Finanziert von der Klaus Tschira Stiftung und einem Verein der Freunde und Förderer arbeiten inzwischen 27 Mitarbeiter:innen für das gemeinwohlorientierte SMC. Das Team habe für die Bereiche Klima/Umwelt, IT/Technik/Energie sowie Medizin/Lebenswissenschaften bereits etwa 800 Angebote für Journalist:innen erstellt, bilanzierte Lutz Dreesbach.

Wie die unterschiedlichen SMC-Angebote erstellt werden, erläuterte Dr. Annegret Burkert, die als SMC-Redakteurin für den Bereich Medizin und Lebenswissenschaft zuständig ist. „Wir liefern Rohstoffe für journalistische Beiträge“, erklärte die promovierte Biologin. Es gehe im SMC nicht um komplette journalistische Angebote, sondern um Hilfe bei der Einordnung komplexer Sachverhalte mit Wissenschaftsbezug. Diese werde in Form von Fact Sheets, wissenschaftlichen Einschätzungen und Zitaten oder speziellen Briefings aufbereitet und zugänglich gemacht. Das so kuratierte Material stehe zuerst nur den akkreditierten Journalist:innen, kurze Zeit später aber auf der Webseite des SMC online zur Verfügung. Für die Kategorie „Research in Context“ wird zu wissenschaftlichen Veröffentlichungen – unter Einhaltung der von den Verlagen festgelegten Sperrfrist - die Expertise ausgewiesener Fachleute, die nicht an der Studie oder Publikation beteiligt waren, eingeholt. Für eine „Rapid Reaction“ sammelte das SMC beispielsweise zur jüngsten Empfehlung der US-Gesundheitsbehörde FDA, Corona-Vakzine auf die derzeit grassierende Omikron-Variante anzupassen, Stellungnahmen gleich mehrerer Wissenschaftler:innen.

„Augmentierung“ des Wissenschaftsjournalismus

Um Werkzeuge für den Wissenschaftsjournalismus der Zukunft zu entwickeln, wurde innerhalb des Science Media Centers das SMC Lab gegründet. Die Corona-Pandemie sei eine Art „Feuertaufe“ für das Angebot gewesen, als zunächst ein regelmäßiger Daten-Report mit aktuellen Corona-Kennzahlen realisiert worden sei, berichtete Lutz Dreesbach. Die Herausforderung für das SMC Lab bestehe darin, aus einer „Informationsflut“ relevante Daten herauszufiltern und bei deren Einordnung zu helfen. Angesichts von mehr als zwei Millionen wissenschaftlichen Publikationen pro Jahr könnten Datenbanken und Software dabei eine große Hilfe sein. Bei den Werkzeugen des SMC handle es sich nicht um „automatisierten Journalismus“, sondern um eine technologische Verstärkung, Erweiterung und Verbesserung des Wissenschaftsjournalismus, die Lutz Dreesbach als „Augmentierung“ (Bereicherung) bzw. „Augmented Science Journalism“ bezeichnete.

Investigative Recherchen und digitale Tools

Zu den investigativen Recherchen, die das SMC bislang veröffentlicht hat, zählen auch Projekte, die mit Hilfe von Lokalredaktionen verwirklicht wurden. Lutz Dreesbach nannte als Beispiele Untersuchungen zu Krankenhäusern. Die Initiative zu solchen Recherchen sei bislang immer vom SMC ausgegangen. Künftig jedoch könnten auch externe Partner Vorschläge machen. Weitere wichtige Quellen außer wissenschaftlichen Fachaufsätzen seien öffentlich zugängliche Datenbanken, aber auch die Twitter-Community, wenn dort Forscher:innen Einblicke in aktuelle Forschungsprojekte gewähren. Darüber hinaus habe das SMC Lab digitale Tools wie den Dunkelflauten-Guide oder den Energiewende-Rechner entwickelt, die online frei zugänglich seien.

Dr. Annegret Burkert und Lutz Dreesbach, die vom Kölner HMKW-Fachbereich Journalismus und Kommunikation eingeladen worden waren, erklärten in der abschließenden Fragerunde, grundsätzlich könnten sich alle (angehenden) Journalist:innen akkreditieren lassen. Rechnungen stelle das SMC für seine Arbeit nicht. Auf die Frage, wie eine möglichst große wissenschaftliche Unabhängigkeit und Expertise der befragten Expert:innen gewährleistet werde, verwiesen die beiden Referent:innen auf Publikationserfolge und die wissenschaftliche Reputation von Kandidat:innen und das Urteil anderer Forscher:innen. Außerdem würden immer gleich mehrere unterschiedliche Einschätzungen geliefert, die einen bestehenden wissenschaftlichen Konsens widerspiegeln oder Kontroversen aufzeigen. Als weitere Themenbereiche, in denen sie sich ein SMC-Engagement vorstellen könnten, nannten Dr. Annegret Burkert und Lutz Dreesbach die Gebiete Sozialwissenschaften/Politik, Recht oder Bildung. Gesellschaftlich weniger kontroverse Themen wie etwa die Astronomie aber seien ausgeschlossen.