YouTube-Star Rezo via Zoom zu Gast

Betrachtet sich der YouTube-Star als Entertainer oder als Journalist? Warum fehlt es den klassischen Medien bei jungen Nutzerinnen und Nutzern an Akzeptanz und Glaubwürdigkeit? Diesen und anderen Fragen stellte sich Rezo am 25. November in einer zweistündigen Videokonferenz-Diskussion per Zoom mit Studierenden der HMKW in Köln.

YouTube-Star Rezo online zu Gast

YouTube-Star Rezo online zu Gast

Hatte Rezo nach dem Erfolg seines Videos Die Zerstörung der CDU (18 Mio. Abrufe) vor einem Jahr noch erklärt, er fühle sich nicht als Journalist, hat sich dieses Selbstverständnis schon länger verändert: „Ich kann nicht umhin, mich jetzt so zu nennen“, sagte der YouTube-Star mit der blauen Haartolle. Eine genaue Definition gebe es nicht. Im Grunde aber habe jeder ein Bauchgefühl, das ihm sage, was Journalismus sei - auch wenn dieses Bauchgefühl keine Basis für eine gültige Definition darstellen könne. Das Schreiben aber falle ihm zurzeit schwer, bekannte Rezo. Er habe einen sehr hohen Anspruch an Qualität und wolle nicht zu den Kolumnisten gehören, die immer wieder dieselben Lieblingsthemen und -thesen wiederholen oder aus Banalitäten künstlich eine große Sache machen würden.

Auf die Frage, ob er vom Entertainer zum reinen Journalisten werden wolle, antwortete der prominente Gast, dass er seinen positiven Effekt auf einen gesellschaftlichen Diskurs maximieren wolle und dieses Ziel für seinen Kanal eher durch eine Mischung aus Unterhaltung und journalistischen Werken erreichen könne. Außerdem wolle er ohnehin bewusst kein Geld mit seinen journalistischen Web-Videos verdienen, um die Inhalte möglichst unabhängig gestalten zu können. Das Geschäft mit der Werbung hingegen liege ihm weniger und er sei dafür „meist sehr bocklos“. Deshalb lehne er die überwiegende Anzahl der Anfragen ab. Das aber könnten sich die meisten YouTuber, YouTuberinnen und Zeitungen nicht leisten, räumte er ein. Er sei wegen seiner Bekanntheit in einer „privilegierten Situation“.

Rezo war einer Einladung des Kölner HMKW-Fachbereichs Journalismus und Kommunikation gefolgt, die fast 300 Studierende dankend annahmen. Prof. Dr. Bettina Lendzian und Prof. Dr. Matthias Kurp (beide Fachbereichsleitung) moderierten zwei Stunden lang eine Diskussion über den Strukturwandel der Öffentlichkeit, über Influencer Marketing, über das Verhältnis von Blogosphäre und YouTube-Stars zu Politik und Journalismus, über glaubwürdige Kommunikation, über den Umgang mit Quellen und politische Meinungsbildung.

In einer Eingangsdebatte mit Prof. Dr. Frank Überall, dem Vorsitzenden des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV), kritisierte Rezo, manchen journalistischen Inhalten mangle es an Substanz und Glaubwürdigkeit. Frank Überall erwiderte, wichtig seien Wahrhaftigkeit und Aufklärung. Beide Experten machten vor allem wirtschaftlichen (Zeit-)Druck und zu wenig Personal als Auslöser für die Glaubwürdigkeitskrise einiger klassischer Medien aus.

Während der DJV-Vorsitzende für ein Qualitätssiegel plädierte, das etwa Zeitungen entzogen werden könnte, die viele Rügen des Presserates kassiert hätten, sagte Rezo, auch die YouTube-Branche müsse darüber nachdenken, sich zur Einhaltung eines Kodexes zu verpflichten. Er sprach sich deshalb für einen YouTube- oder Influencer-Kodex aus. Entsprechende Pläne habe er schon länger, es scheitere allerdings daran, dass er neben seinen anderen Verpflichtungen nicht genug Zeit übrig habe, um entsprechende Vereinigungen voranzutreiben, erläuterte Rezo.

 

Rezo zeigte sich im Gespräch mit den HMKW-Studierenden aufgeschlossen, ohne Starallüren, neugierig und durchaus selbstkritisch. So bekannte er freimütig, er kenne sich mit den Lehrinhalten eines Journalismusstudiums nicht gut genug aus, um über die Qualität einer solchen Ausbildung zu urteilen. Und die Recherche? Er habe zwar nicht auf einer Querdenker-Demonstration vor Ort recherchiert und verlasse sich meist auf fremde Quellen, prüfe diese aber sehr gründlich. Gefragt, welche Rolle YouTube-Videos spielen könnten, um komplexe politische Phänomene zu thematisieren, argumentierte Rezo, kein anderes Medium ermögliche es derzeit, so interaktive und generationsübergreifende Aufmerksamkeit für bestimmte Themen herzustellen. Deshalb empfahl er den HMKW-Studierenden auch, ebenfalls auf das Genre Internetvideo zu setzen.

Was aber ist mit der Trennung von Nachricht und Meinung, die den Journalismus auszeichnen sollte? Rezo unterstrich, es sei wichtig, transparent in der eigenen Meinung zu sein. Ein polemischer Stil wie in seinem jüngsten YouTube-Video mit dem Titel Wenn Idioten Deine Freiheit und Gesundheit gefährden sei ein legitimes Mittel für Informationsvermittlung und Kritik. HMKW-Prorektor Prof. Dr. Martin Beckenkamp wies in diesem Zusammenhang darauf hin, Rezo sei es gelungen, junge Menschen, die durch die klassischen Medien kaum noch erreicht werden, für politische Probleme zu sensibilisieren. Die sehr lebhafte Diskussion mit Rezo im Online-Hörsaal der HMKW schien im Recht zu geben.


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