Kunstschaffender, visueller Anthropologe, Autor und Redakteur in Berlin

Das Humboldt Forum in Berlin zählt zu den umstrittensten Museumsprojekten der jüngsten Zeit. Cihan Küçük, seit kurzem Absolvent des M.A. Visual and Media Anthropology, hat sich in seiner Masterarbeit mit der Dekolonisierung von Kulturinstitutionen beschäftigt. Hier berichtet er von seinem Studium sowie seinen kreativen Projekten in der vielfältigen Kunst- und Kulturszene Berlins.

Sie haben kürzlich den Masterstudiengang Visual and Media Anthropology an der HMKW Berlin abgeschlossen. Herzlichen Glückwunsch! Was machen Sie jetzt?

Da ich unter den Bedingungen der Pandemie studiert habe, genieße ich jetzt das Leben nach der Pandemie. Während meines Studiums habe ich angefangen, für ein Ausstellungsprojekt namens Owned by Others zu arbeiten. Im Moment sind wir dabei, den Katalog für die Ausstellung zu erstellen. Außerdem recherchiere ich weiter zum Thema meiner Abschlussarbeit: Dekolonisierung von Kunstinstitutionen. Kürzlich habe ich einen Artikel über die Herausforderung der Dekolonisierung von Museen für das Fwd: Museum Journal der University of Illinois Chicago geschrieben, der noch in diesem Jahr veröffentlicht werden soll.

Was war das Thema Ihrer Masterarbeit? Könnten Sie uns bitte ein wenig darüber erzählen, wie Sie Ihr Forschungsthema entdeckt haben? Was war Ihr größtes Learning aus dieser Erfahrung?

Mein Thema war "A palace and protest in Berlin for the whole world: The Coalition of Cultural Workers Against the Humboldt Forum". Ich bin schon sehr lange im Bereich der Museologie tätig. Außerdem bin ich Autor und Redakteur bei e-Skop, einer türkischen Website für kritische Kunsttheorie und Politik. Ich bin verantwortlich für die Rubrik Museumspolitik. Seit zehn Jahren verfolge ich Protestbewegungen im Zusammenhang mit Museen. Artwashing, Rechte von Kunstschaffenden und Dekolonisierung sind einige der Themen, die mich sehr interessieren.

Als ich im Jahr 2020 nach Berlin zog, hatten die Proteste gegen das Humboldt Forum bereits begonnen. Ich beschloss, bei diesem Thema zu bleiben, da ich mich seit Jahren damit beschäftige und es einen Bezug zu meinem Berufsfeld hat. Während meiner Recherche verfolgte ich die Protestgruppe The Coalition of Cultural Workers Against the Humboldt Forum. Mir wurde klar, dass das Problem der Dekolonisierung viel tiefer und komplizierter ist, als ich dachte. Anfangs konzentrierte ich mich auf die Entkolonialisierung, aber später entdeckte ich unter der Anleitung meines Betreuers Dr. Mark Curran die sozialen und wirtschaftlichen Aspekte der kolonialen Vergangenheit in Deutschland.


Warum haben Sie sich für den Masterstudiengang Visual and Media Anthropology entschieden?

Ich habe für ein Museum für zeitgenössische Kunst namens Arter in Istanbul gearbeitet, als ich mich für den Studiengang beworben habe. Wir waren gerade dabei, in ein neues Museumsgebäude umzuziehen. Für das erste Semester war das Onlinestudium für mich optimal. Da ich für die Produktion zuständig war, habe ich mich auch schon immer für das Filmemachen interessiert. Sozialwissenschaften fand ich immer schon spannend. Ich schreibe bereits seit Jahren, und die Möglichkeit, mit Filmen eine Geschichte zu erzählen, war verlockend.

Haben Sie während oder vor Ihrem Masterstudium weitere Arbeitserfahrungen gesammelt, die Sie mit uns teilen möchten?

Bevor ich mich entschieden habe, meine Ausbildung fortzusetzen, habe ich Ausstellungen für Museen gemacht. Während meiner Recherche hatte ich die Gelegenheit, eine Ausstellung der Künstlerinitiative Owned by Others zu besuchen. Dabei ging es hauptsächlich um die Funktion der Museumsinsel in Berlin. Für die zweite Version der Ausstellung/Intervention hatte ich die Möglichkeit, mit der Gruppe zusammenzuarbeiten. Das war eine sehr interessante Erfahrung für mich. Ich war schon viele Male in Berlin, bevor ich hierher gezogen bin. Ich habe die Museumsinsel mehrfach als Tourist besucht. Aber jetzt, nachdem ich an dieser Ausstellung beteiligt war, hat sich meine Wahrnehmung der Museumsinsel selbst verändert. Ich hatte auch die Gelegenheit, mit Raul Walch und Lutz Henke, den Gründern dieses Projekts, zusammenzuarbeiten. Es war eine gute Gelegenheit für mich, die Berliner Kunstszene kennen zu lernen.

 


Von welchen Erfahrungen/Kursen/Projekten während Ihres Studiums haben Sie Ihrer Meinung nach im Berufsleben am meisten profitiert?

Es gibt mehrere Kurse, von denen ich sehr profitiert habe. Methodische Kurse wie "Ethnographic Methods" haben mich gelehrt, wie man richtig ethnographische Forschung betreibt. Auch "Digital Anthropology", "Space and Place" und "Artistic Practice in Transcultural Context" haben mir sehr gut gefallen. Ich beschloss, meine bisherige Karriere aufzugeben und mein Studium fortzusetzen, um Zeit für mich selbst zu haben. Ich habe versucht, aus jedem Kurs so viel wie möglich mitzunehmen. Da mein Masterthema die Dekolonisierung war, habe ich sehr von dem Kurs "Decolonized: Images, Race and Representation" profitiert.

Ich bezeichne mich selbst als Kunstschaffender. Ein Teil meiner Arbeit besteht darin, Kunstwerke und Ausstellungen zu realisieren. Daneben produziere ich aber auch immer wieder eigene Werke. Ich fotografiere schon seit Jahren analog, das ist eine meiner Leidenschaften. Ich gestalte Siebdrucke, Postkarten und Zines. Ich habe versucht, mein Wissen und meine Produktionskenntnisse für die Aufgaben in den Kursen zu nutzen. Für "Digital Anthropology" habe ich ein Screencast-Filmprojekt mit dem Titel: "Are you a bot? A political Voight-Kampff test" erstellt. Ich habe als Semesterprojekte zwei Zines erstellt. Für "Artistic Practice in Transcultural Context" ein Zine namens "Wuseuw" und für "Space and Place" eines namens "Graffiti Flâneur".

Was hat Ihnen an Ihrem Studium/dem Studiengang im Allgemeinen am besten gefallen?

Die Zusammenarbeit mit meinem Betreuer Dr. Mark Curran war für mich eine ganz besondere Erfahrung. Ich kannte seine Arbeiten bereits, bevor ich mich für dieses Studium beworben habe. Seine Unterstützung war hervorragend. Das Schreiben und Verfilmen eines Abschlussprojekts ist ziemlich stressig, wie ich bereits erfahren habe. Aber bei der Arbeit mit ihm ging es mehr darum, verschiedene Ebenen zu entdecken. Ich habe den gesamten Prozess der Fertigstellung einer Masterarbeit sehr genossen, selbst in Zeiten der Pandemie.

Ich möchte auch unbedingt meine Kommilitonen erwähnen. Es ist immer sehr interessant und aufschlussreich, seine Erfahrungen mit anderen zu teilen und mit ihnen über das eigene Forschungsthema zu sprechen.

 


Was raten Sie (angehenden) Studierenden, die den Studiengang Visual and Media Anthropology studieren möchten?

Für mich bedeutet ein Masterstudium vor allem, sich Zeit für sich selbst zu nehmen. Ich hatte keinen anthropologischen Hintergrund. Jetzt ist die Anthropologie ein Teil meines Lebens. Ich beschäftige mich immer noch viel damit und denke wie ein Anthropologe. Wenn Ihr wie ich keinen anthropologischen Hintergrund habt, empfehle ich Euch dringend, Euch damit zu befassen. Außerdem dürfte es sehr hilfreich sein, sich so früh wie möglich zu überlegen, was man als Abschlussprojekt machen will. Während wir uns für unsere Themen entschieden, hatten wir die Möglichkeit, unsere Ideen mit unseren Kommilitonen zu diskutieren. Auch das war sehr aufschlussreich.

 

 

Was sind Ihre Pläne für die Zukunft?

Ich werde weiterhin im Kunstbereich arbeiten. Ich möchte mich mehr auf meine Projekte und Produktionen konzentrieren. In der Berliner Kunstszene gibt es viele Möglichkeiten, ein Projekt zu realisieren. Ich glaube auch an die Vorstellung lebenslangen Lernens. Vielleicht werde ich in ein paar Jahren meine Ausbildung mit einem PhD fortsetzen.

Vielen Dank, dass Sie Ihre Erfahrungen und Projekte mit uns geteilt haben. Wir wünschen Ihnen alles Gute für die Zukunft!