Ringvorlesung: Akzeptanzproblem Umweltschutz

Wie lässt sich mehr für den Klima- und Umweltschutz erreichen? Wovon hängt die Akzeptanz umweltpolitischer Maßnahmen ab? Mit diesen Fragen setzte sich Prof. Dr. Florian G. Kaiser im Rahmen der HMKW-Ringvorlesung auseinander. Der Gast aus Magdeburg (Otto-von-Guericke-Universität) referierte via Zoom über die Akzeptanz umweltpolitischer Maßnahmen.

Vor virtuellem Zoom-Hintergrund: Prof. Dr. Florian G. Kaiser

Vor virtuellem Zoom-Hintergrund: Prof. Dr. Florian G. Kaiser

Florian Kaiser beschäftigt sich als Sozial-, Persönlichkeits- und Umweltpsychologe seit Jahren mit der Frage, wovon es abhängt, dass etwas für Umweltschutz getan wird bzw. dass politische Maßnahmen zum Schutz der Umwelt akzeptiert werden – oder eben nicht. Wichtig seien einerseits die individuelle Umwelteinstellung und andererseits die Kosten, die auf einzelne Bürger:innen als Konsequenz umweltpolitischer Maßnahmen zukämen. Zwar sei uns bewusst, dass beispielsweise der Verbrauch natürlicher Energieressourcen massiv verringert werden müsse. Dennoch fehle es politischen Maßnahmen zum Schutz der Umwelt oft an breiter Zustimmung. Deshalb gehe es darum, die soziokulturellen Rahmenbedingungen für klima- und energiepolitische Maßnahmen zu verbessern. „Die Umweltschutz-Motivation wird daran deutlich, welche Kosten eine Person für das Ziel, die Umwelt zu schützen, aufwendet“, sagte Florian Kaiser. Dies ist auch der Ausgangspunkt des von ihm mitentwickelten Campbell-Paradigmas. Demnach erklärt sich konkretes Umweltschutz-Verhalten durch die subjektive Einstellung zu Umwelt- und Klimaschutz und durch die sogenannten Verhaltenskosten, die aus dem Verhalten resultieren. Die Kosten eines konkreten Umweltschutz-Verhaltens und die Einstellung zu Umwelt und Klimaschutz stehen dabei in einem kompensatorischen Verhältnis zueinander.

Eine Frage von Verhaltenskosten und Einstellung

Kosten sind nicht nur monetär gemeint, sondern können auch Zeitaufwand oder physische Anstrengung und anderes mehr beinhalten. Für den monetären Fall stellte Florian Kaiser fest: „Kosten bedeuten immer, dass Geld ausgegeben werden muss, das sonst für andere Zwecke verwendet werden könnte.“ Blieben die Verhaltenskosten gering oder werde den Menschen Umweltschutz leicht gemacht, würden entsprechende Maßnahmen relativ gut akzeptiert, berichtete der Psychologe. Steigende Kosten würden zu geringerer Akzeptanz beitragen, könnten aber durch eine positive Einstellung gegenüber dem Umweltschutz kompensiert werden. Das habe sich etwa bei Umfragen zum Thema CO2-Steuer gezeigt. Ab einer gewissen Höhe werde eine entsprechende Abgabe nur von denjenigen begrüßt, für die Umweltschutz ein bedeutsames Anliegen sei. Deshalb sei es wichtig zu erforschen, wie sich die Zustimmungsrate für eine Steuer auf die Emission von Kohlendioxid erhöhen lasse.

Eine seiner Studien habe ergeben, dass „finanzielle Rückverteilungsmaßnahmen“, durch welche die Erlöse einer CO2-Steuer der Gesellschaft in Form lokaler Klima- und Umweltschutzprojekte zurückgegeben würden (Green Spending), zu mehr Akzeptanz dieser Steuer führen würden als etwa eine soziale Umverteilung der Erlöse der CO2-Steuer. Diese Ergebnisse seien aber noch vorläufig. Im nächsten Schritt müssten sie mittels einer bevölkerungsrepräsentativen Stichprobe repliziert werden.

Von temporären finanziellen Anreizen, die dazu beitragen könnten, umweltschützendes Verhalten zu „belohnen“, hält Florian Kaiser vergleichsweise weniger. Solche Effekte seien meist nur „von kurzer Dauer“ und würden zu keinen nachhaltigen Veränderungen im Verhalten führen. Politisches „Nudging“ im Sinne von kurzfristigen Verhaltensanreizen bewertete der Experte als „Verschwendung von Ressourcen“. Besser hingegen sei es, die Umwelteinstellung und damit die Motivation für Umweltschutz durch entsprechende Maßnahmen (Interventionen) zu verbessern.

Positiver Spillover-Effekt

Der in Magdeburg lehrende Psychologe verwies auf eine Studie, bei der die Umwelteinstellung der Teilnehmenden durch ein Bündel an Interventionen so verändert worden sei, dass dies auch dauerhaft Wirkung gezeigt habe. Im Rahmen der Studie erhielten Haushalte Gutscheine für wasser- und energiesparende Geräte, sieben Monate lang eine Energieberatung, Workshops, Online-Informationen und weitere Angebote, die sie nutzen konnten. Dabei habe sich nicht nur deren Umweltschutzverhalten positiv verändert, sondern sei auch eine nachhaltige Verbesserung der Umwelteinstellung weit über den Zeitraum der Intervention hinaus festgestellt worden. Diese stabile Veränderung habe sich auch auf andere Bereiche des Umweltverhaltens positiv ausgewirkt (Spillover-Effekt). Kaisers Schlussfolgerung lautete entsprechend, dass die Stärkung der Einstellung der Bevölkerung zu Umwelt- und Klimaschutz eine Chance biete, restriktivere Umweltschutzmaßnahmen zu realisieren.

In der sich anschließenden Diskussion betonte Florian Kaiser nochmals den „Verhaltens-Domino-Effekt“, der durch Verbesserung der Umwelteinstellung im Alltag ausgelöst werden könnte. Zugleich wurde deutlich, dass die Förderung der individuellen Einstellungen zugunsten von Umwelt- und Naturschutz natürlich häufig am Widerstand der realen Verhaltenskosten scheitert. Diese Verhaltenskosten, so wandten Teilnehmer:innen der Ringvorlesung ein, ließen sich oft kaum konkret beziffern, sondern würden eher als „gefühlte Kosten“ erlebt. Florian Kaiser bemerkt dazu, dass die Unterscheidung „gefühlt“ oder „real“ insofern von geringer Bedeutung sei, als dass wir uns der Kosten keineswegs bewusst zu sein brauchen, um von ihren objektiven Folgen für das Verhalten betroffen zu sein.

 

In der dritten Folge der Ringvorlesung wird Karsten Jentsch (RTL AdAlliance) über aktuelle Transformationsprozesse bei der RTL Group referieren. Die Veranstaltung findet am Mittwoch, 26. Januar, ab 17.30 Uhr ebenfalls via Zoom statt.