Ringvorlesung: Eine Frage des Vertrauens

Die digitale Transformation der Medienwelt ermöglicht einerseits neue Plattformen, Netzwerke und Akteur:innen, scheint aber andererseits mit einem Vertrauensverlust des Journalismus verbunden. Wie lässt sich das erklären, und was könnte dagegen unternommen werden? Mit diesen Fragen setzte sich am 16. Juni Prof. Dr. Fabian Prochazka im Rahmen des letzten Teils der Kölner Media University-Ringvorlesung im Sommersemester 2021 auseinander.

Jun.-Prof. Dr. Fabian Prochazka (Universität Erfurt) referierte an der HMKW über Vertrauen in Medien.

Jun.-Prof. Dr. Fabian Prochazka (Universität Erfurt) referierte an der HMKW über Vertrauen in Medien.

Der Juniorprofessor für Kommunikationswissenschaft der Universität Erfurt präsentierte via Zoom theoretische und empirische Befunde, aber auch Vorschläge für die Praxis. Eingeladen hatte der Kölner Media University-Fachbereich Journalismus und Kommunikation, dessen Leiter:innen Prof. Dr. Bettina Lendzian und Prof. Dr. Matthias Kurp die anschließende Diskussion moderierten. Media University-Prorektor Prof. Dr. Martin Beckenkamp freute sich, etwa achtzig Dozent:innen und Studierende begrüßen zu können.

Medien seien „Vertrauensgüter“, deren Qualität sich vom Publikum schlecht prüfen lasse, lautete die Ausgangsposition von Fabian Prochazka. Zugleich aber bildeten Informationen die Basis für Diskussion, Meinungsbildung und Partizipation einer repräsentativen Demokratie. Vertrauen in Journalismus bedeute deshalb die Bereitschaft, journalistische Informationen in das eigene Meinungs-, Einstellungs- und Verhaltensspektrum zu übernehmen. Allerdings habe der Journalismus in der digitalen Netzwerköffentlichkeit seine Gatekeeper-Rolle verloren. Zunehmend würden im Online- und Social-Media-Zeitalter auch andere Akteur:innen die öffentliche Agenda prägen. An Bedeutung gewonnen hätten auch sogenannte alternative Nachrichtenmedien, die häufig Falschmeldungen und Verschwörungsmythen verbreiten. Intermediäre wie Google und Facebook würden diesen „alternativen Ereignisdarstellungen“ zu großer Reichweite verhelfen. Journalismus stelle schließlich nur noch einen Teil einer Medienumgebung dar, in der Informationen unterschiedlicher Qualität „unterschiedslos nebeneinander“ auftauchen.

Drei Typen von Medienskeptiker:innen

Auf viele Mediennutzer:innen würden alternative Quellen glaubwürdiger wirken, berichtete Fabian Prochazka. Ihnen werde klar, dass es auch Wirklichkeitsdarstellungen jenseits des Journalismus gebe. Oft komme es auch zur Verwechslung zwischen journalistischen und nicht-journalistischen Inhalten.


Der Kommunikationswissenschaftler stellte Ergebnisse aus dem aktuellen Forschungsprojekt „Vertrauen in Journalismus im medialen Strukturwandel“ vor, das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert wird. Mit einer Mischung aus quantitativen und qualitativen Methoden seien durch Leitfadeninterviews und bei einer Repräsentativbefragung für diejenigen, die klassischen Medien nicht mehr vertrauen, drei Gruppen identifiziert worden: erstens „enttäuschte Idealisten“, meist mit formal höherer Bildung, die online nach alternativen Ereignisdarstellungen suchten, zweitens „diffus Medienskeptische“, die zu Verschwörungsmythen neigten, und drittens „abgehängte Skeptiker“ mit eher niedriger Bildung, die kaum Erwartungen an die Medien hätten und häufig Nichtwähler:innen seien.

Etwa 17 Prozent der Befragten hätten 2017 Misstrauen gegenüber den Medien signalisiert, berichtete Fabian Prochazka. Interpersonelles Vertrauen und eine differenzierte Weltsicht würden ebenso zu Medienvertrauen beitragen wie das Gefühl, eigene Ansichten in journalistischen Angeboten wiederzufinden. Verschwörungsmentalität und geringes Vertrauen in die Politik hingegen würden Misstrauen gegenüber dem Journalismus steigern. Der Medienforscher sprach in diesem Zusammenhang von einem „politisch entfremdeten Milieu“. Oft reichten einzelne Schlüsselerlebnisse, bei denen zu Themen online alternative Ereignisschilderungen gefunden würden, um eine „Spirale der Entfremdung“ auszulösen. Könnten klassische Medien dann das Informationsbedürfnis aus Sicht einzelner Nutzer:innen nicht adäquat befriedigen, würden Zweifel wachsen und alternative Medien in den Fokus rücken.

Vielfalt und Transparenz könnten helfen

Fabian Prochazka empfahl, Journalismus müsse konstruktiv die komplette Vielfalt der Gesellschaft abbilden und dabei auch Gründe für das sinkende Vertrauen thematisieren. Um Vorwürfen mangelnder journalistischer Integrität entgegenzuwirken, müsse außerdem transparent gemacht werden, wie Journalismus arbeite. Gegen die „Spirale der Entfremdung“ helfe vor allem eine kritische Auseinandersetzung mit alternativen Ereignisdarstellungen. In der sich anschließenden Diskussion wurde deutlich, dass es in vielen Redaktionen noch immer an Mut für Transparenz und Multiperspektivität mangelt. Manchmal werde auch eine falsche Ausgewogenheit (false balance) geboten, die Minderheitenmeinungen einen zu großen Raum gebe. Journalismus, so zeigte sich Fabian Prochazka am Ende überzeugt, „muss sich erklären und deutlich machen, dass es nicht nur die eine Wahrheit gibt“.