Online-Ringvorlesung: Konfliktsensitiver Journalismus statt Kriegsberichterstattung

Warum neigen Medien bei der Darstellung von Konflikten zu Dramatisierung und Polarisierung, während Gewalthandlungen oft nur abstrakt dargestellt werden? Und warum kennen wir den Begriff Kriegsberichterstattung, während kaum von Friedensberichterstattung die Rede ist? Im Rahmen der Kölner HMKW-Ringvorlesung setzte sich die freie Journalistin und Dozentin Sigrun Rottmann am 27. Mai für einen konfliktsensitiven Journalismus ein.

Etwa hundert Studierende, Lehrbeauftragte und Professorinnen sowie Professoren nahmen per Zoom-Konferenztechnik an der zweiten Veranstaltung der HMKW-Ringvorlesung zum aktuellen Thema „#Nachhaltigkeit – Transformation in Medien, Kommunikation und Wirtschaft“ teil. Es gebe einen „Kriegs- und Gewaltjournalismus“, aber keinen Friedensjournalismus, lautete die Ausgangsthese von Sigrun Rottmann, die in diesem Zusammenhang auf den norwegischen Soziologen und Politologen Johan Galtung verwies. Der österreichische Sozialpsychologe und Friedensforscher Wilhelm Kempf, der gemeinsam mit Galtung als Begründer eines Konzeptes für Friedensjournalismus gilt, warne vor einer medialen Eskalationsdynamik von Konflikten. Statt Polarisierung (Konflikt als Konkurrenzprozess) müssten Journalisten stärker eine differenzierte Beschreibung und Analyse von Auseinandersetzungen und deren Lösungsmöglichleiten (Konflikt als Kooperationsprozess) in den Mittelpunkt ihrer Berichterstattung rücken, plädierte Sigrun Rottmann für einen konfliktsensitiven Journalismus.

Konflikte seien nicht grundsätzlich etwas Negatives, sondern könnten auch als Motor für positive Entwicklungen verstanden werden, argumentierte die Lehrbeauftragte des Institutes für Journalistik der Technischen Universität Dortmund. Medien aber neigten zu „Überdramatisierung“, und Journalisten würden gesellschaftliche Spannungen fast immer als Krisen vermitteln. Auslöser dafür seien Nachrichtenfaktoren wie Konflikt oder Negativität, während alles Ambivalente und Mehrdeutige weniger plakativ darstellbar erscheine. Umso wichtiger sei es, Konflikt-Situationen und unterschiedliche Positionen zu visualisieren, die Interessen und Bedürfnisse aller Beteiligten zu recherchieren und die spezifischen Konstellationen transparent darzustellen, forderte Sigrun Rottmann.

Konstruktiver Perspektivwechsel

Aufgabe von Journalismus sei es, der Öffentlichkeit umfassende Informationen über Konflikte zur Verfügung zu stellen, ohne diese zu dramatisieren oder gar anzuheizen, betonte die Gast-Dozentin. Während „Kriegsjournalismus“ mit einem Fokus auf Eliten und Gewalt meist in Kategorien wie Sieg und Niederlage berichte, müsse konfliktsensitiver Journalismus über Ursachen, Hintergründe und Folgen aufklären, müsse Motive offenlegen und lösungsorientierte Ansätze berücksichtigen, setzte sich Sigrun Rottmann für einen Perspektivwechsel ein. Noch aber würden statt differenzierter Berichterstattung häufig Stereotype, Vorurteile und manchmal auch Feindbilder mediale Inhalte über Konflikte und Kriege prägen. Journalistinnen und Journalisten müssten solche Strukturen aufbrechen. Dazu gehöre es auch, nicht unbedacht Abstraktionen, Verschleierung oder Frames von Kriegsrhetorik zu übernehmen.

Begriffe wie „Kulturkampf“ oder „intelligente Bomben“ könnten einen Deutungsrahmen (Framing) bilden, der entweder legitime demokratische Auseinandersetzungen künstlich dramatisiere und zuspitze oder kriegerische Handlungen verharmlose, kritisierte die freie Journalistin, die bereits als Redakteurin beim BBC World Service Radio in London und als Korrespondentin der Frankfurter Rundschau für Mexiko, Mittelamerika und die Karibik arbeitete. Nur wer sich kritisch mit Stereotypen und Dramatisierung auseinandersetze, könne neutral, präzise und konstruktiv über Krisen und Konflikte berichten.