Musik, Design und Kommunikation

Edouard Morin, 27 Jahre, absolvierte 2014 den B.A. Journalismus und Unternehmenskommunikation an der HMKW Berlin. Im Interview erzählt er von seinen unternehmerischen Projekten und Entscheidungen. 

Edouard Morin. Foto: Adeline Mai

Was machst du jetzt beruflich und wie hat dein Studium dich darauf vorbereitet? 

Im Juli 2014 haben wir – mit einem meiner besten Freunde – unser eigenes Unternehmen gegründet: LumièresLaNuit (LLN), das für Dub- & Deep-Techno Musik sowie Grafikdesign steht. Seitdem haben wir sechs Releases herausgebracht, Merchandising designt und herstellen lassen sowie Ende 2014 eine Booking Agency gelauncht, die wir vor ein paar Wochen geschlossen haben. Seitdem konzentrieren wir uns auf Veranstaltungen rund um das Label. Nebenbei habe ich eine Zeitlang als Musikjournalist für das französische Elektronikmusik Fachmagazin TRAX gearbeitet (wie Groove in Deutschland).

Außerdem habe ich im August 2015 das Musiklabel An der Grenze (ADG) auf den Markt gebracht, das Schwarzweiß-Fotografie mit Techno Musik zusammenbringt.

Schließlich habe ich am Anfang dieses Jahres mit dem französischen Musikkomponist und DJ David K sowie einem meiner besten deutschen Freunde, Wolfram, TONE SERIES gelauncht. Dieses Label beschäftigt sich eher mit Deep-House Musik und Grafikdesign. Bei dem Projekt ist der Name der Künstler nicht so wichtig. Darum steht er nicht eindeutig auf der Hülle. Er muss nicht im Vordergrund stehen. Was uns interessiert ist, welche CMYK von der Musik ausstrahlt.

Egal ob bei LumièresLaNuit, An der Grenze oder TONE SERIES, jedes Projekt hat seine eigene Identität, sowohl was die Musik als auch das Corporate Design angeht. Außerdem spricht, meiner Meinung nach, bei jedem Projekt der Name für sich, sobald man die visuelle Atmosphäre betrachtet.

Warum hast du dich für den B.A. Journalismus und Unternehmenskommunikation entschieden? 

Ich habe zweimal mein Studium abgebrochen, in Frankreich und in Deutschland. Von meinem 19. bis zu meinem 22. Geburtstag habe ich drei schwierige Jahre erlebt. Ich wusste tatsächlich nicht, was ich studieren wollte. Ich habe eine Doppellizenz in Deutsch und Wirtschaft an der Universität Paris X Nanterre (Frankreich) angefangen und nach einem Semester abgebrochen. Ich bin dann nach Berlin gezogen. Ein Jahr später bin ich nach Frankfurt am Main, wo ich meinen TestDaF geschrieben habe. Ich habe anschließend an der Goethe Universität Mathematik studiert und wieder nach einem Semester abgebrochen. Ich bin danach nach Berlin zurückgekehrt, wo ich Aufnahmeprüfungen in Journalismus und Unternehmenskommunikation an der HMKW und einer anderen Hochschule geschrieben habe. Ich habe beide bestanden. Jedoch habe ich mich für die HMKW entschieden, bestimmt weil die zwei Gespräche, die ich mit Frau Schwabe und Herrn Köhler geführt habe, bei mir einen sehr guten Eindruck hinterlassen haben. Das Studium sowie der Lehrkörper haben mir sehr gut gefallen. Das ist wahrscheinlich der Grund, warum ich mein Studium mit einigermaßen guten Noten absolviert habe.

Wie war der Kurs an der HMKW und wo hast du dein Praktikum gemacht? 

Lehrreich dank eines super Lehrkörpers, der aus Dozenten mit unternehmerischer Erfahrung besteht. Das was für mich extrem wichtig, denn ich langweile mich schnell und gehe in die Knie, wenn ich nur Theorie mache. Dieser Studiengang war die perfekte Kombination aus Theorie und Praxis. Was mich betrifft, muss ich unbedingt meiner Arbeit einen Sinn geben. Aus meinen Ideen muss unbedingt etwas Konkretes herauskommen.

Mein Praktikum habe ich im 4. Semester bei WEBTVPROD in Paris gemacht. Das Unternehmen beschäftigt sich mit Online-Kommunikationsstrategien mit Video als Spezialgebiet. Während meines dreimonatigen Praktikums habe ich nah mit dem Chefredakteur zusammengearbeitet. Ich habe über Ausstellungen für Orange Expo Musées berichtet, soziale Netzwerke-Management für Linvosges und La Compagnie Française de l’Orient et de la Chine (CFOC) gemacht sowie ab und zu als Set-Assistent bei Online TV-Sendungen geholfen. Das war – wie in meinem Studium – sehr bereichernd und abwechslungsreich.

Dieser Studiengang war die perfekte Kombination aus Theorie und Praxis.

Woran arbeitest Du gerade? 

Ich arbeite immer noch an LumièresLaNuit, TONE SERIES und An der Grenze. Was LumièresLaNuit angeht, sollten wir Ende 2015/Anfang 2016 schwierige Entscheidungen treffen und einige unserer Aktivitäten an die richtigen Personen delegieren. Ich hätte gern alles selber gemacht, aber die Zeit hat mir gefehlt. Zudem haben wir die Booking Agency geschlossen, da es sich aus finanzieller und moralischer Sicht nicht mehr gelohnt hat.

Mit TONE SERIES bringen wir innerhalb von zwei Jahren zehn Releases heraus. Dabei geht es um ein Projekt mit einer limitierten Release-Anzahl, das zu einem anderen Projekt führen sollte.

Mit An der Grenze habe ich einige Schwierigkeiten erlebt, da ich kaum Geld in das Projekt investiert habe. Ich habe jedoch seitdem Lösungen gefunden und alles wieder in Ordnung gebracht. Es geht ab Ende Juni mit dem zweiten Release weiter.

Was war das spannendste Projekt, an dem du je gearbeitet hast? 

Alle drei Projekte finde ich sehr spannend. Ich langweile mich ziemlich schnell, wenn ich ausschließlich an einem Projekt arbeite. Darum habe ich mich entschieden, einigen meiner Ideen konkrete Form zu geben und diese Projekte gleichzeitig zu betreiben. Jedoch sind diese drei Projekte voneinander zu trennen, nicht nur, weil sowohl die Musik also auch die visuelle Atmosphäre unterschiedlich sind, sondern auch, weil die Arbeitsweisen verschieden sind.

LumièresLaNuit betreibe ich – wie oben schon erwähnt – mit einem guten Freund, der jedoch nicht so viel Zeit zu investieren hat, da er mit seinem Job als Industrial Designer in San Francisco hoch beschäftigt ist. Wir haben beide unser eigenes Geld investiert. Bei LLN kümmere ich mich um alles (sprich 95% des Unternehmens), außer um das Erstellen des Grafikdesigns.

Bei TONE SERIES geht es um einen einzigen Künstler. Dennoch soll er keinesfalls im Mittelpunkt stehen. Die Musik (TONE) und die sich daraus ergebene Farbe (TONE) stehen im Vordergrund. Der Künstler steht im Hintergrund. Dabei kümmere ich mich um alles rund um das Label. David K ist für die Musik zuständig. Und Wolfram bringt uns zuletzt seine objektive Meinung. David und Wolfram haben das Geld reingesteckt, ich wohl nichts.

Schließlich betreibe ich An der Grenze ganz allein. Allerdings wird nun das Projekt von deejay.de finanziert – Ich habe mit meinem ehemaligen Investor Differenzen gehabt und habe mich dafür entschieden, mir einen neuen Investor zu suchen. Das deutsche Unternehmen deejay.de hat mir einen P & D-Deal angeboten, d. h. es produziert und vertreibt die Releases, die ich von dem einen oder anderen Künstler herausbringen möchte.

Was kommt als nächstes? 

Ich ziehe Mitte Juni nach Paris zurück. Die Entscheidung habe ich Ende 2015 getroffen. Vor ein paar Jahren hätte ich nie gedacht, dass ich eines Tages nach Paris zurückziehen werde, denn ich hatte davon genug. Nun ist es genau das Gegenteil. Während all dieser Jahre in Berlin, Frankfurt und London habe ich sehr viel erlebt und gelernt. Ende 2015 hatte ich das Gefühl, dass meine Zeit in Deutschland ihrem Ende entgegengegangen ist. Obwohl LumièresLaNuit in London sitzt, bleibt es vor allem ein französisches Unternehmen. Und ich habe irgendwie das Gefühl, dass es – aus einer professionellen Sicht – der richtige Zeitpunkt ist, um dorthin zurückzuziehen. Am Ende jedes Jahres blicke ich auf das vergangene Jahr zurück, um Bilanz zu ziehen. Ich habe mir Anfang 2016 neue Herausforderungen und Ziele gesetzt, die ich in Paris bestens verfolgen kann.

Gibt es Eigenschaften, die Studierende in deinem Studiengang besitzen sollten? 

Auf jeden Fall. Die Studierenden müssen schon neugierig sein, was nicht bei jeder/jedem unbedingt der Fall ist. Wer Journalismus studiert, recherchiert und schreibt viel. Wer Unternehmenskommunikation studiert, beschäftigt sich mit Marketingzielen, die anhand von Marketingstrategien und -maßnahmen erreichen werden müssen. Nicht jeder interessiert sich dafür. Meiner Ansicht nach gibt es heutzutage kaum Fächer, die so aktuell wie Journalismus und Unternehmenskommunikation sind. Kommunizieren war noch nie so wichtig wie heute. Man spricht oft von „Kommunikationskrieg“ oder „Machtkampf“.

Meiner Ansicht nach gibt es heutzutage kaum Fächer, die so aktuell wie Journalismus und Unternehmenskommunikation sind.

Nenne drei Dinge, die du zum Kreativsein brauchst. 

Ich muss mit Leuten aus unterschiedlichen Branchen diskutieren, wieder Plattenläden besuchen, um mich mit den Leuten vor Ort über ihre und meine Projekte auszutauschen (ich habe aus persönlichen und professionellen Gründen ein Jahr lang keine Platten gekauft) und mit den richtigen Personen arbeiten.

In der Tat finde ich das Aufstellen eines Teams extrem schwierig. Ich liebe es, mit anderen Leuten zusammenzuarbeiten. Doch weil ich sehr viel von mir selbst verlange, verlange ich auch sehr viel von meinen (freien) Mitarbeitern. Ich bin selten mit mir selbst zufrieden. Wie kann ich dann mit den anderen zufrieden sein? Ich gebe auch gerne zu, dass es überhaut nicht einfach ist, mit mir zu arbeiten. Ich versuche seit über einem Jahr, ein kleines Team für die nächsten drei oder fünf Jahre auf die Beine zu stellen. Bisher habe ich die perfekte Konstellation noch nicht gefunden, aber ich versuch es weiter. Je mehr Leute du kennenlernst und mit ihnen arbeitest, umso klarer und konkreter wird das gesuchte Profil.

Twitter pitch! Du in 140 Zeichen. 

Aus Erfahrung vertraue ich kaum jemandem, weiß aber nicht, was besser ist: Ab und zu enttäuscht zu sein oder an Verfolgungswahn zu leiden (bzw. ein bisschen spinnen)?

Welchen Rat würdest du neuen Studierenden geben? 

Schwierige Frage... Ich denke, dass jeder von uns seine eigene Persönlichkeit hat. Ich würde sagen, dass es einfach ist, Sachen zu unternehmen, wenn man sich selbst kennt und genau weiß, wie man auf die eine oder andere Situation reagiert. Als ich 24 war, habe ich eine Art Erleuchtung erlebt, in der ich mir gesagt habe: „Jetzt weißt du, wer du bist, also was du willst!“. Es klingt ein bisschen komisch oder blöd, aber seitdem merke ich, dass ich mit meinem unternehmerischen Leben ganz gut vorankomme.

Was sollten wir noch über dich wissen?

Die Frage ist: Was will ich über mich preisgeben. Ich denke, dass ich ein echter Freund bzw. Mensch bin. Ich erzähle viel. Die Leute denken also, dass ich vor niemandem Geheimnisse habe. Die, die mich wirklich kennen, sagen allerdings oft, dass ich sehr geheimnisvoll bin. Ich habe gelernt, Sachen für mich zu behalten. Mich ärgern all diese Leute, die auf sozialen Netzwerken anderen eine Lektion erteilen wollen. Kommunizieren kann eine Begabung sein. Man kann es aber auch im Laufe der Zeit erlernen. Und „kommunizieren“ ist nicht gleich „Ehrlichkeit“. Ich habe dank meiner Erfahrungen gelernt, dass ich nicht immer 100% die Wahrheit sage.

Links

LumièresLaNuit Website | Facebook | Instagram | Soundcloud | Discogs | Resident Advisor

TONE SERIES Facebook | Discogs

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