"Als Videoproduzentin und Cutterin hinterfrage ich ständig, wie Menschen und Kulturen repräsentiert werden"

Beina Xu, Absolventin des M.A. Visual and Media Anthropology, ist der Einstieg in die Medienbranche geglückt: Nach ihrem Masterabschluss ist sie nun als Redakteurin und Videoproduzentin bei der Deutschen Welle tätig. Wir haben mit ihr über ihren Berufseinstieg, ihr erstes (sogar preisgekröntes) Filmprojekt sowie die Herausforderungen ihrer journalistischen Arbeit gesprochen.

VMA-Absolventin Beina Xu arbeitet derzeit bei der Deutschen Welle als Redakteurin und Videoproducerin.

VMA-Absolventin Beina Xu arbeitet derzeit bei der Deutschen Welle als Redakteurin und Videoproducerin.

Was fällt Ihnen zuerst ein, wenn Sie an Ihr Studium denken?

Ways of seeing, um mit einem Buchtitel von John Berger zu antworten. Die Wahrnehmung der Welt und ihre vielfältigen Erscheinungsbilder.

Sie haben den Studiengang M.A. Visual and Media Anthropology studiert. Als was arbeiten Sie nun?

Ich arbeite als Redakteurin und Videoproduzentin bei der Deutschen Welle, einem deutschen Rundfunksender. Ich bin auch eine unabhängige Filmemacherin, beschäftige mich aber hauptsächlich mit dem geschriebenen Wort.

Konnten Sie zuvor bereits weitere Berufserfahrungen sammeln, von denen Sie uns gerne berichten würden?

Ich bin mir nicht sicher, ob das Drehen eines Films als Arbeitserfahrung zählt, aber ich habe meinen ersten Film "Forget Alberto for Now" zusammengeschustert, Stipendien beantragt und so weiter. Es ist ein kurzer Essayfilm, der untersucht, wie wir Erzählungen über Migration konstruieren (indem er zeigt, wie wir es versäumt haben, einen Dokumentarfilm über einen Flüchtling zu drehen). Am Ende bekamen wir dafür großzügige öffentliche Gelder, und er hatte seine Premiere am IFFR Rotterdam kurz vor der Pandemie. Ich bin zutiefst dankbar für all die Unterstützung, die ich für dieses Projekt erhalten habe.

 

Zu welchem Zeitpunkt während des Studiums sind Sie auf Ihren Berufswunsch gekommen? Hat das Praktikum eine Rolle bei der Berufswahl gespielt?

Ich bin kein karriereorientierter Mensch, also bin ich wohl die falsche Person, die man das fragen sollte. Solange ich mich an einem Ort befinde, wo ich meinen Forschungsdrang ausleben kann, eine Bühne für Widerstand habe und ich meiner Tochter manchmal überteuerte Cake Pops kaufen kann, bin ich zufrieden.

Warum haben Sie sich damals für den Studiengang M.A. Visual and Media Anthropology entschieden?

Ich wollte wieder zur Uni gehen und hatte keinen Glauben in das Bildungssystem, in dem ich aufgewachsen war (in einem kleinen, isolierten Land namens USA). Der VMA hat meine lebenslangen Interessen an Kunst, Theorien und Menschen miteinander vereint.

Welche Inhalte aus dem Studium finden sich in Ihrer Arbeit wieder bzw. helfen Ihnen dabei?

Als Videoproduzentin und Cutterin hinterfrage ich ständig, wie Menschen und Kulturen repräsentiert werden. Verstärkt dieses Video eine vorherrschende Darstellung? Bringt es uns dazu, Dinge auf unterschiedliche Weise zu sehen? Wie werden Menschen gezeigt? Welche Rolle spielen sie in diesem Medium, das wir Millionen von Zuschauern auf der ganzen Welt zugänglich machen? Als nichtweiße Frau und Ausländerin in einer deutschen Institution zu arbeiten, bedeutet, dass es eine alltägliche Aufgabe ist, darauf zu bestehen, die Machtverhältnisse und die Politik der Repräsentation zu untersuchen.

Was sind Ihre Pläne für die Zukunft?

Ich bin ein Archiv-Nerd und beschäftige mich mit einigen laufenden Projekten, die ich noch in der Schublade habe – eines über die VHS-Kassetten, die die Migration meiner Familie aufzeichnen, das andere über den deutschen Kolonialismus in China. Die Pandemie hat meinen Entkolonialisierungsplänen allerdings einen Strich durch die Rechnung gemacht.

Was schätzen Sie an Ihrer Arbeit besonders und was stellt eine Herausforderung dar?

Nach meinem Masterstudium führte ich einen erbitterten Streit mit mir selbst darüber, ob ich in die Wissenschaft gehen würde. Nach meiner Rückkehr zu den Medien (und aus wirtschaftlicher Notwendigkeit) wurde mir schließlich klar, dass ich dort tatsächlich größere Wirkung erzielen könnte - und natürlich hat jeder Mensch eine andere Definition von Wirkung. Medien erreichen einfach so viele Menschen. Wenn ich Filmmaterial schneide, Skripte schreibe oder redaktionelle Entscheidungen in Frage stelle, denke ich nur daran, wie dies die Nadel im öffentlichen Diskurs bewegen könnte. Das ist so wichtig für mich. Natürlich ist die Form extrem einschränkend, und deshalb habe ich eine eigene Kunst-/Forschungspraxis. Aber das Privileg, in der Lage zu sein, das zu beeinflussen, was massenhaft in die Welt hinausgebeamt wird, ist riesig und etwas, das ich nie für selbstverständlich halte.

Die größte Herausforderung ist es definitiv, sich Raum zu schaffen und sich von bestimmten politischen Realitäten zu trennen. Die Medien überschwemmen uns täglich mit Ungerechtigkeit, und es ist wichtig, inmitten all der Wut auf sich selbst aufzupassen.

Welchen Rat würden Sie neuen Studierenden geben?

Seid kritisch – dafür seid ihr ja hier. Die Wissenschaft ist auch eine Institution, wenngleich sie theoretisch der letzte Ort sein sollte, an dem man das, was einem gesagt wird, einfach akzeptiert. Hinterfragt: Wie wird Wissen produziert? Von wem?

Welche Eigenschaften sollten Studierende aus Ihrem Studiengang haben?

Sie sollten Menschen völlig unverständlich und damit interessant finden, und sie sollten nicht den Wunsch haben, Business Administration zu studieren.

Vielen Dank für das Gespräch. Wir wünschen Ihnen weiterhin alles Gute!